Das Ortswappen der Gemeinde Uelversheim
Von Dr. Heinz Leitermann
Wie in ganz Deutschland gibt es im heutigen rheinhessischen Raum kaum Ortswappen, die älter als rund 400 Jahre sind. Nur große Städte wie Mainz, Worms und frühere Reichsstädte wie Oppenheim oder Gau-Odernheim zeigen schon in früheren Zeiten auf ihren Siegeln Wappenbilder. Die Wappen aller anderen Gemeinden oder „Orte“ sind erst in der spätgotischen Zeit des 15. Jahrhunderts und in der Renaissance-Zeit des 16. Jahrhunderts entstanden; in den Jahrhunderten, welche die Hauptblütezeit der deutschen Wappenkunst repräsentieren.
Seit der Mitte des 15. Jahrhunderts bemühen sich die Orte um ein eigenes Wappenbild. Die verschiedenen Territorialherren kamen diesem Wunsch gern entgegen, weil sich hier die Gelegenheit bot, ihre eigenen Wappen als eine Art von Hoheitszeichen zu dokumentieren. Beliebt waren auch Darstellungen der örtlichen Kirchenpatrone oder so genannte „redende“ Wappen, die bildmäßig den Ortsnamen kennzeichnen. Die neuen Ortswappen erschienen in der Regel erstmalig im Rahmen der örtlichen Gerichtssiegel. Wohlhabende Gemeinden ließen das Ortswappen am Rathaus oder an Torbauten in Stein meißeln. Das Ortswappen erschien in späteren Jahrhunderten als Schlussstein von Gewölben in der Kirche, auf Gasthausschildern, von Fahnen, als Schmuck von Landkarten oder Ortsbildern. Kurzum, es wurde zu einem stolzen Sinnbild der Geschichte und des Ansehens der Gemeinde.
Diese Entwicklung wurde jäh unterbrochen durch die politischen, kulturellen Veränderungen gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Als in Rheinhessen als Folge der französischen Revolutionskriege und der napoleonischen Besatzungszeit alle früheren Besitzverhältnisse und Ortsherren sich änderten, waren viele Ortswappenbilder sinnlos geworden. Grundsätzlich wurden damals, auch durch französische Verordnungen, alle alten Ortswappen und Gerichtssiegel „abgeschafft“ und durch das französische Staatswappen ersetzt. Als nach 1813 Rheinhessen eine großherzoglich hessische Provinz wurde – damals entstand bekanntlich erst der Begriff „Rheinhessen“ – gerieten die alten Ortswappen weiter in Vergessenheit, da jetzt das hessische Staatswappen alle amtlichen Dokumente kennzeichnen musste. Erst gegen Ende des vorigen Jahrhunderts und im Zeichen der allgemeinen „Renaissance“ des deutschen Wappenwesens begannen einzelne Gemeinden ihre historischen Ortswappen wieder zu „entdecken“ und zu verwenden. Seitdem hat sich die Freude an Ortswappen und ihrer Auswertung immer mehr gesteigert. In der neuesten Zeit bemühen sich deshalb die Landratsämter darum, jeder Gemeinde ein historisch und heraldisch einwandfrei begründetes Ortswappen zu verschaffen und dieses ministeriell urkundlich durch die Regierung bestätigen zu lassen.
Diese allgemeinen Betrachtungen gelten auch für die besonderen Verhältnisse in Uelversheim. Hier war das historische Ortswappen in den letzten 150 Jahren ebenfalls in Vergessenheit geraten. Nur wenigen Historikern waren die örtlichen Gerichtssiegel bekannt, auf denen ein schönes Wappenbild in Erscheinung trat. So ist aus dem Jahre 1511 der Abdruck eines Gerichtssiegels von Uelversheim im Staatsarchiv zu Marburg einsehbar. Das wahrscheinlich schon im späten 15. Jahrhundert gestaltete Siegel zeigt eine Darstellung des örtlichen Kirchenpatrons St. Martin zu Pferd, der seinen Mantel für einen Bettler zu seinen Füßen teilt. Die Umschrift lautet: “S. Martinus des Gerichts zu Ilbersham“. Ein künstlerisch ausgezeichnet komponierter Nachschnitt des Siegels aus dem 17. Jahrhundert verändert das spätgotische Siegelbild nur wenig in barockem Stil und mit Umschrift: „S. Martin des Gerichts zu Elbersheim“. Der Originalsiegelstempel wurde 1913 in einem Feld bei Uelversheim wiedergefunden und war bis 1945 im Besitz der Gemeinde. Leider ging er in den letzten Kriegswirren verloren. Der Stempel muss etwa um die Mitte des 17. Jahrhunderts entstanden sein, denn von 1666 ist noch ein Abdruck des älteren Siegels im Staatsarchiv zu Darmstadt erhalten. Das neue Siegel ist 1749 in einem Abdruck im Staatsarchiv zu Darmstadt und auf einer 1747 datierten Urkunde im Besitz der Gemeinde nachweisbar. Es war sicher bis in die napoleonische Zeit in Gebrauch. Nach dieser Zeit führte Uelversheim kein Ortswappen im Siegel. Eine andere Darstellung des Wappenbildes ist in Uelversheim nicht bekannt geworden.
Als sich die Gemeinde in der Vergangenheit bemühte, ein modernes Ortswappen zu erlangen, war es eine Selbstverständlichkeit, dass man bei seiner Gestaltung auf das Vorbild der Wappenbilder auf den Gerichtssiegeln zurückgriff. Diese zeigten also über drei Jahrhunderte lang den uralten örtlichen Kirchenpatron St. Martin, obwohl die Gemeinde seit der Reformation weitgehend protestantisch wurde. Es war der Wunsch sowohl der katholischen als auch der protestantischen Kirchengemeinde Uelversheims, diese Tradition wieder aufzunehmen. Ein zweiter Wunsch ging dahin, in dem neuen Ortswappen auch an die früheren Ortsherren von Uelversheim zu erinnern. Das waren vom 12. Jahrhundert bis in die napoleonische Zeit die Grafen von Leiningen. Die Angabe von Brilmayer in seinem Buch „Rheinhessen in Vergangenheit und Gegenwart“ (Gießen 1905), nach der Uelversheim im Gerichtssiegel das Wappen des Grafen von Leiningen geführt hätte, ist allerdings nicht beweisbar.
Ein Hauptmotiv im Familienwappen der Grafen von Leiningen waren drei silberne, rot bewehrte Adler auf blauem Grund. Es war deshalb naheliegend, in dem modernen Ortswappen von Uelversheim einen dieser Leiningen-Adler mit dem Motiv des St. Martin zu verbinden. Die Übernahme des gesamten Siegelbildes wäre nicht glücklich gewesen, weil damit das Wappen bildmäßig überladen gewirkt hätte und weil die moderne Heraldik größere figürliche Darstellungen nicht gern verwendet. Eine Reduzierung des Martin-Bildes auf eine Halbfigur erschien dagegen heraldisch und bildmäßig und erzielt in der oberen Wappenhälfte ein gutes proportionales Verhältnis zu dem Adler in der unteren Wappenhälfte. Nachdem für ein solches modernes Wappenbild, dessen offizielle Beschreibung heute lautet: „Das Wappen ist geteilt. Oben in Silber die nach links (heraldisch) blickende Halbfigur des Heiligen Martinus, der mit dem Schwert einen roten Mantel teilt. Unten in Blau ein silberner rot bewehrter Adler.“ Nachdem das Staatsarchiv in Koblenz diesen Entwurf als historisch und heraldisch einwandfrei begründet bezeichnet hatte, wurde der Gemeinde das neue Ortswappen durch eine Urkunde des Innenministeriums Rheinland-Pfalz vom 19. August 1964 amtlich verliehen.